Akustische Grundlagen der Musik
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3 Schwebungen
Stellt man den Verlauf einer gleichmäßigen Schwingung abhängig von der Zeit graphisch dar, so erhält man eine Sinuskurve:
Diese Kurve kann, wie bei einer Wasserwelle, durchaus dem tatsächlichen Erscheinungsbild einer sich ausbreitenden Schwingung entsprechen, muß es aber nicht. Bei einer Longitudinal-Welle wie der Druckwelle des Schalls nämlich darf man sie nicht mit der Bewegung der Luftteilchen verwechseln, d.h. die y-Achse repräsentiert hier nicht direkt die Bewegungsform, sondern die Höhe des Luftdrucks zu einem bestimmten Zeitpunkt.
Erklingen zwei Töne gleichzeitig, so ergibt sich ihr Kurvenbild aus der Addition zweier Sinuskurven, d.h. es entsteht aus zwei Kurven verschiedener Frequenz eine Resultierende:
Diese Resultierende ist natürlich keineswegs ein Theoretikum, sondern ein Faktum, denn wenn die Luft zwei Töne gleichzeitig an unser Ohr tragen soll, kann sie nicht gleichzeitig zwei verschiedene Schwingungen ausführen, sondern nur die resultierende Druckwelle transportieren. Zwei Schwingungen können sich dabei sowohl addieren, nämlich wenn Wellenberg und Wellenberg aufeinandertreffen, als auch subtrahieren, nämlich wenn Wellenberg und Wellental aufeinandertreffen. Das ist jedem geläufig, der weiß, daß man zwei Lautsprecherboxen immer mit gleicher Polung anschließen sollte, da die sonst gegenphasigen Schwingungen vor allem die Baßfrequenzen abschwächen würden.
Überlagern sich zwei Schwingungen unterschiedlicher Frequenz, so geschieht folgendes:
Man sieht, daß die eine die andere allmählich überholt, so daß die Wellen, die gleichphasig begonnen haben, irgendwann gegenphasig sind und irgendwann wieder gleichphasig, und dies in stetem Wechsel, so daß sie sich abwechselnd addieren und auslöschen: Wir hören eine Resultierende, ähnlich der in Abb. 2, die in der Lautstärke völlig gleichmäßig schwankt. Man sagt der Ton schwebt. (Der physikalisch allgemeinere Begriff für die Überlagerung von Wellen ist die Interferenz.) Die Anzahl der Schwebungen pro Sekunde entspricht dabei genau dem Frequenzunterschied, d.h. ein Ton von 100 Hz und einer von 102 Hz erzeugen eine Schwebung von
Welchem Tonhöhenunterschied der beiden Töne dies entspricht, ist von der Tonlage abhängig, denn hierfür ist ja das Verhältnis, nicht die Differenz maßgebend: Eine Schwebung von 5 Hz bedeutet bei zwei Tönen von 25 und 30 Hz ein Frequenzverhältnis von 5:6, das ist eine kleine Terz; bei zwei Tönen von 1000 und 1005 Hz aber ist es nur eine Verstimmung derselben Tonhöhe, nämlich ein Frequenzverhältnis von 1:1,005.
Schwebungen sind der Grund, weswegen auch kleine Differenzen zwischen zwei Tönen noch wahrnehmbar sind, wenn sie gleichzeitig erklingen. Schwebungen von etwa 0,5 Hz kann man meist noch sehr gut ausmachen, das entspricht bei 2000 Hz einem Tonhöhenunterschied von 0,25 ‰. Das ist genauer, als handelsübliche Stimmgeräte es noch anzeigen könnten.
Wer Schwebungen noch nie bewußt wahrgenommen hat, braucht nur eine einzelne Klaviertaste im Diskant anzuschlagen: Wurde das Klavier nicht erst kürzlich gestimmt, ist es höchst unwahrscheinlich, daß alle drei Saiten des Tones exakt dieselbe Tonhöhe haben und der Klang schwebungsfrei ist; wahrscheinlicher ist, daß man im Hören von Schwebungen nur zu ungeübt ist.